Donnerstag, 1. Juli 2021

Die Profis und der Newcomer

 

"Ein denkwürdiger Moment"

Bild: Der Steg ermöglicht die Begehung des Moors.


Dick in Winterschutzkleidung eingepackt treffen wir Ruedi vor dem Stall an der Ecke beim Parkplatz. Es ist noch April. Ein beständiges Tief lässt den Winter weit in den Frühling ragen. Ruedi trägt Stiefel mit dicken Gummisohlen und wasserfeste grüngraue Regensachen. Ich trage meine weisse Winterstrickmütze, das Gnägi und den dicken Militärpuli, darüber meine schwarzgraue Herbstregenjacke, eine dünne ebenfalls schwarze Outdoorhose und einen sportlichen Wanderfinken. Daneben Köbi in für das Bauamt üblich guter orangeblauer Arbeitskleidung. Es ist die erste Begehung zur Übernahme des Dienstes des Schwendiseewarts und des Klangwegmachers. Die zwei Profis und ich, der Azubi.

Viele Male noch werde ich Ruedi rund um den Schwendisee begegnen. Zu vereinbarten Zeitpunkten oder einfach, weil das hier oben seine Heimat ist und er 18 Jahre seinen Dienst versehen hat. An diesem von erheblich viel Schnee durchwehten Montag stapfen wir um den See. Ich höre mir an, welche Aufgaben auf mich warten. Die Liste wird immer länger und ich bin in der Folge darauf angewiesen, noch viele Rückfragen stellen zu können. Ruedi hat die Feuerstellen mit Holz versorgt, die Grillroste gereinigt, Hage zum Schutz des Moors gezogen, Hinweisschilde rund um die Wege des Naturschutzgebietes gestellt, Wege gejätet, das Gebiet beaufsichtigt und… daneben als Klangwegmacher 28 Instrumente gewartet. Und ich bin mir sicher, da waren viele andere wichtige Arbeiten, die er gemacht hat, weil der Schwendiseewart und der Klangwegmacher für ihn mehr als ein Job waren.

Ich kratze mich nachdenklich am Kopf und höre wieder die Worte, die ich auf der Naturstrasse unterhalb des dunklen Bodens, wo die Jubiläumshütte steht, vernommen habe. Gerade eben wartete ich die Klangpilze und brause nun auf steinigem Weg runter zum Schwendisee. Der Forstdienst oberes Toggenburg ist mit Baumfällen beschäftigt und ich drossle das Tempo. Unter dem Velohelm und der Dächlikappe mit dem Iltioslogo, die ich immer noch zusätzlich zum Schutz vor der Witterung trage, höre ich die Worte des Forstabeiters: „Das ist ein denkwürdiger Moment.“

Von den Einheimischen, die ich treffe, werde ich gefragt, ob ich der neue Seepolizist sei. Der Detektiv, der die unzähligen Vergehen aufspürt. Gäste, Ferienhausbesitzer, Einheimische auf die bestehenden Regeln hinweist. Es war für viele ein enges Regelkorsett, das Ruedi zur Anwendung bringen musste. Und es ist ein weiterer Punkt auf meiner langen Liste der anstehenden Dringlichkeiten.

 

Die Lage rund um den Schwendisee fusst auf einer Kampagne in den achtziger Jahren. Es war die Rothenthurm Initiative, die das dortige Moor vor dem Eingriff des Militäirs schützte. Im Zuge dessen kam es zu einer schweizweiten Abstimmung und der Schutz der Moore wurde im Gesetz verankert. Es war 2003, als auch das Moor am Schwendisee als schützenswert eingestuft wurde. Seither hatte Ruedi Vetsch die Aufsicht über das Naturschutzgebiet. Seither hatte ihn die Gemeinde Wildhaus – Alt St. Johann angestellt. Seither gibt es den Steg, um das Moor begehen zu können.

Es hätte ihn eine Menge Mühe gekostet, die neuen Auflagen durchzusetzen, erzählt er mir darum bei einer Tasse Kaffee.

Die vielen Begegnungen mit Ruedi, das entspannte Gespräch bei einer Tasse Kaffee bekräftigt jedoch trotzdem das Bild, das Martin Sailer in einem Interview für das Klangblatt zeichnete: Ruedi ist ein freundlicher Mann, der auch Lachen kann, aber mit stets festen Absichten.

„Chum ämol zu mir; i ha dr do no öppis; machämär gad no… dänn hämärs erledigt“, sagt Ruedi an manchem Tag.

Die letztere Ansage ist mir darum in guter Erinnerung. Es war etwa Mitte Mai, als er mit dem breiten Anhänger vor das kleine Hüttli auf der anderen Seite der Strasse beim Seegüetli fährt. Ich habe meine Arbeit bereits getan. Es geht gegen zehn, und ich bin schon beinahe auf dem Nachhauseweg. Wir laden die eingelagerten Instrumente für die Sellamatt und das Oberdorf auf den Anhänger. Ein weiteres Mal glänzt der Frühling mit Abwesenheit und wir stellen bei garstigem Schneefall die Instrumente. Die Klanggabel und das Röhrophon. Meine Hände verlieren jegliches Gefühl, die Schrauben müssen trotzdem rein. Vom Schneefall in den Regen komme ich bis auf die Haut nass kurz vor Mittag wieder zu Hause an. Aber die Instrumente sind jetzt gestellt.

Und das Moorgebiet um den Schwendisee, der Klangweg und die Viecher auf den Weiden sehen nun nicht mehr einen Roller und den Mann mit Arbeitsmütze statt Helm. Das Fäch auf den Matten und die Arbeiter bei den Bahnen sehen nun ein blaues E-Bike von Bergstrom, gekoppelt an einen neuen Anhänger von der Velometzg, mit von der Schreinerei Stolz eingebauten Seitenwänden, getreten von dem Mann aus dem Luckentobel, Hausnummer drei.

„Ich bin kein Grüner“, sage ich zu Ruedi. Es ist meine Antwort auf die Festellung, dass ich nicht Autofahre, und auch kein Billet hätte. Die Antwort getragen von aufwallender Missstimmung.

Nein, ich fahre kein Auto, das hätte ich schon beim Vorstellungsgespräch auf der Gemeinde betont, lasse ich weiterhin Ruedi wissen. So weit, so gut.

 

Kurz und knapp: Ruedi ist im Übrigen ein Mann, der, nach kurzer und erster Einschätzung, in der Armee immer an vorderster Front anzutreffen wäre. Auf jedenfall immer bereit, das nötige zu tun. Wäre er Politiker, ich würde auf ihn setzen. Denn ich wüsste in ihm jemanden, der die Wahlparolen auch nach dem Urnengang noch ernstnehmen würde.

Neben der Wartung der Klanginstrumente und der Bestellung der Plätze rund um den Schwendisee, steht nun also auch der Moorschutz auf meiner Liste der wichtigen Aufgaben.

 

 

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